Am Samstag fand die Endrunde des Schnellschachs der Schachfreunde Frankfurt statt. Ich stand zwar durch meine 8 vorherige Turniersiege bereits als Gesamtsieger fest, doch die letzte Auflage sollte noch einmal besonders spannend werden. Zu meiner Freude waren (mehr oder weniger) alle Hauptpersonen anwesend. Ich fuhr mit Marco Rolf zum Turnier, der sich einiges vornahm: „Mein Ziel für heute ist ein Punkt. Oder zwei Punkte, wenn ich gegen Urbach und Carlsen spiele.“
Das Turnier wurde 6-rundig im Schweizer System ausgetragen. Da nur 10 Teilnehmer anwesend waren und auch angekündigt wurde, man könnte angeblich im Turnier deutlich mehr Punkte für die Jahreswertung bekommen (was aber nicht wirklich stimmte), hätte man auch ein Rundenturnier spielen können, was aber von der Endtabelle her nicht besser hätte ausgehen können.
Gleich in der ersten Runde kam es zu einer Sensation: Während ich und Marco leicht gewannen, gelang Magnus Carlsen der Sieg gegen den Himbeergeist! Carlsen schnappte sich irgendwann einen Bauern und verteidigte ihn, bis er im Damenendspiel unaufhaltbar war. In der 2. Runde gab es sofort das Gipfeltreffen zwischen Marco und mir. Das Turnier war für ihn wichtiger als für mich, also erlaubte ich mir einige Fehler. Nachdem am Nebenbrett auch noch Urbach im ungleichfarbigen Läuferendspiel (was er später gewann!) seinem Gegner sagte „Dachte ich mir doch, dass wir etwa gleichstark spielen“, war mir das Lachen wichtiger als die Partie. In deutlich besserer Stellung für ihn wurde dennoch Remis vereinbart. Und somit gab es für die Konkurrenz die Gelegenheit, sich vor uns an die Spitze zu kämpfen. Wer nutzte die Gunst der Stunde? Ein Vogel? Ein Flugzeug? Nein – es war Magnus Carlsen! Er hatte im Endspiel gegen Stefan Calvi mit Schwarz erst die besseren Aussichten, machte dann aber Fehler, und Calvi hatte die Chance, seine verbliebenen Figuren alle zu tauschen. Er ging ins Bauernendspiel, was gut aussah, sich aber als Fehler herausstellte. Im Endspiel Läufer gegen Springer hätte er einen Bauern gewonnen und sicher auch danach die Partie. So aber kam Magnus mit einer Minute Restbedenkzeit wieder ins Spiel und seine verbundenen Zentrumsbauern setzten sich gegen die gegnerischen Randbauern durch. Somit war in der Tabelle Carlsen vor Poetsch und Rolf – sowas passiert nicht alle Tage. Außerdem gewann der Himbeergeist gegen Cat A Kamsky im Leichtfigurenendspiel souverän.
Wegen der Farbverteilung musste Carlsen mit Weiß gegen Marco spielen. Ich schlug in der Zeit Calvi mit nur 2 eigenen Zügen. Carlsen brauchte noch eine gute Platzierung für den Preis, den er sich ausrechnete, und bot daher in Verluststellung Remis an, was abgelehnt wurde. Kurz später hat Himbeergeist seine zweite Partie verloren – gegen Urbach. Normalerweise würde man denken: wie kann man ein Wesen erschaffen, das so etwas zustande bringt, in einem Turnier gegen Carlsen und Urbach zu verlieren? Nein, ernsthaft, die beiden haben sich verbessert! Es überraschte jeden, aber es muss nicht das letzte Mal gewesen sein. Magnus hatte Turm und 3 Bauern, Marco Dame und 5 Bauern. Aber Marco guckte nur noch auf die gegnerische Zeit, die auf 50 Sekunden geschrumpft war und übersah dabei einen Turmgewinn. Mit brillanter Technik holte sich Magnus den a- und b-Bauern, danach auch noch ein paar Königsflügelbauern. Dann wurde alles getauscht, und gerade im Moment, als jede Seite noch König und Bauer übrig hatte, fiel die Zeit. Beleidigt und ohne die Hand zu geben verließ Magnus die Arena. Anscheinend war er immer noch so schlecht, dass er nicht im richtigen Moment remis zu reklamierte. Seine Glückssträhne war vorbei.
Direkt danach wurde er gegen mich gelost und verlor mit einer uninspirierten Vorstellung. Marco gewann ein etwas besseres ungleichfarbiges Läuferendspiel mit Turm gegen Urbach, der mehrere Züge hintereinander den Turm auf die gleiche Art einstellen wollte, es aber im letzten Moment noch bemerkte. Doch einmal ließ er den Turm auf dem Feld los und gab auf. Calvi musste seinen nächsten Rückschlag hinnehmen und war Letzter. Spätestens hier war aber klar, wer überhaupt noch um den Sieg kämpft. In der 5. Runde gewannen die Führer, sodass der spannende Kampf ganz hinten zwischen Himbeergeist und Calvi stattfand. Calvi hatte die ganze Zeit über einen Bauern mehr und verwertete ihn auch.
In der letzten Runde gewann ich, indem ich am Ende mehr als 10 Minuten übrig hatte, während er die Zeit überschritt. Marco schlug den schwachen Cat und teilte mit mir den Turniersieg, der ihm zugeschrieben wurde, weil ich bereits Gesamtsieger war. Magnus Carlsen wurde mit 3/6 Dritter vor allen Frankfurter Legenden, von denen er zwei höchstpersönlich besiegte – Hut ab für diese Leistung. Der Himbeergeist wurde Letzter.
Hagen Poetsch