Das Damengambit, eingeleitet durch die Züge 1. d4 d5 2. c4, ist eine der ältesten und beliebtesten Schacheröffnungen. Es zeichnet sich durch das sofortige Angebot eines Bauern auf c4 aus, mit dem Weiß das Zentrum kontrollieren und Raum gewinnen möchte. Schwarz hat die Wahl, den Bauern zu schlagen oder abzulehnen, was zu einer Vielzahl von Varianten und strategischen Möglichkeiten führt.
Die Grundidee des Damengambits
Weiß opfert einen Bauern, um schnell die Initiative zu ergreifen und das Zentrum zu beherrschen. Das Hauptziel besteht darin, die offenen Linien und Diagonalen zu nutzen, um einen Angriff auf den schwarzen König zu starten oder einen positionellen Vorteil zu erlangen. Schwarz hingegen versucht, den Mehrbauern zu verteidigen und die weißen Bemühungen zu neutralisieren, um Gegenspiel zu entwickeln.
Hauptvarianten des Damengambits
Das Damengambit verzweigt sich in zahlreiche Varianten, von denen jede ihre eigenen strategischen Nuancen aufweist. Einige der wichtigsten sind:
- Angenommenes Damengambit: Schwarz schlägt den Bauern auf c4 (2…dxc4), was zu einem offenen und dynamischen Spiel führt.
- Abgelehntes Damengambit: Schwarz lehnt das Bauernopfer ab, was zu komplexeren positionellen Manövern führt. Beliebte Varianten sind das Orthodoxe Damengambit, das Tarrasch-Verteidigung und das Slavische Damengambit.
- Albin-Gegengambit: Eine aggressive Antwort von Schwarz (2…e5), die darauf abzielt, das Zentrum sofort zurückzuerobern.
- Andere Varianten: Es gibt viele weitere Varianten, wie das Katalanische System, das Chigorin-Verteidigung und das Marshall-Gambit, die jeweils einzigartige strategische Herausforderungen bieten.
Strategische Überlegungen
Schwarz: Verteidigung des Mehrbauern, Entwicklung von Gegenspiel, Neutralisierung der weißen Initiative, Suche nach taktischen Möglichkeiten.
Weiß: Aktive Figurenentwicklung, Kontrolle des Zentrums, Nutzung offener Linien und Diagonalen, Angriff auf den schwarzen König oder Aufbau eines positionellen Vorteils.
Abgelehntes Damengambit
Die Bezeichnung Abgelehntes Damengambit ist die Ablehnung mittels 2. … e7–e6 gemeint, dies ist nicht die einzige Möglichkeit, das Damengambit abzulehnen. Alternativen sind unter anderem die Slawische Verteidigung (2. … c7–c6) oder die Tschigorin-Verteidigung (2. … Sb8–c6).
[Bild/Diagramm der Grundstellung des Abgelehnten Damengambits]
- Zugfolge: 1. d4 d5 2. c4 e6
- Typische Pläne für Weiß:
- Aufbau eines soliden Zentrums: Weiß versucht, ein starkes Zentrum aufzubauen und die Kontrolle über die wichtigen Felder zu erlangen.
- Figurenmanöver: Weiß entwickelt seine Figuren harmonisch und sucht nach Möglichkeiten, Druck auf die schwarze Stellung auszuüben.
- Langfristige Pläne: Weiß kann langfristige Pläne verfolgen, wie das Vorrücken des e-Bauern oder das Öffnen von Linien, um einen Angriff zu starten.
- Typische Pläne für Schwarz:
- Stabile Verteidigung: Schwarz baut eine solide Verteidigung auf und versucht, die weißen Bemühungen zu neutralisieren.
- Gegenspiel am Damenflügel: Schwarz kann versuchen, Gegenspiel am Damenflügel zu entwickeln, indem er seine Figuren aktiv positioniert und die weißen Bauern angreift.
- Ausgleich: Schwarz strebt danach, die Stellung auszugleichen und die weißen Vorteile zu minimieren.
- Beispielpartie: Carlsen – Anand, Weltmeisterschaft 2013
Die meist gespielte Option von Schwarz ist das Abgelehnte Damengambit. Schwarz schlägt den weißen Bauern nicht auf c4 und stärkt stattdessen sein Zentrum mit 2…e6. Dies ist eine weitere solide Option für Schwarz, hat aber den Nachteil, dass ein Bauer auf dem Weg des Läufers mit Leichtfigur steht.
Der schwarze Plan beinhaltet normalerweise einen Gegenangriff auf den weißen d4-Bauern mit dem Vorstoß c7-c5. In den meisten Fällen akzeptiert einer der Spieler, strukturelle Schwächen zu schaffen, um dynamisch zu kompensieren, z. B. die Initiative zu ergreifen oder einen starken Angriff zu starten.
Abgelehntes Damengambit: Partien
Weltmeister und das Damengambit
Viele Weltmeister haben das Damengambit erfolgreich in ihren Partien eingesetzt, darunter:
- Jose Raul Capablanca: Bekannt für seine präzise Technik und sein positionelles Verständnis, nutzte Capablanca das Damengambit, um seine Gegner zu überlisten.
- Mikhail Botvinnik: Der erste sowjetische Weltmeister war ein Meister des Damengambits und verwendete es häufig, um strategische Vorteile zu erlangen.
- Vasily Smyslov: Smyslov war bekannt für seine tiefen positionellen Kenntnisse und seine Fähigkeit, das Damengambit in verschiedenen Varianten zu meistern.
- Garry Kasparov: Kasparov, einer der größten Spieler aller Zeiten, spielte das Damengambit sowohl mit Weiß als auch mit Schwarz und erzielte bemerkenswerte Erfolge.
- Magnus Carlsen: Der aktuelle Weltmeister hat das Damengambit in wichtigen Partien eingesetzt, insbesondere in der Weltmeisterschaft 2013 gegen Anand.
Historische Entwicklung des Damengambits
Das Damengambit hat eine lange und faszinierende Geschichte, die bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht. Im Laufe der Zeit haben sich die Ideen und Strategien rund um diese Eröffnung weiterentwickelt:
- Frühe Entwicklung: In den Anfängen wurde das Damengambit oft als aggressives Mittel eingesetzt, um den Gegner schnell zu überwältigen.
- Klassische Ära: In der klassischen Ära des Schachs wurde das Damengambit zu einer komplexen und strategisch reichen Eröffnung. Spieler wie Steinitz, Lasker und Capablanca trugen wesentlich zur Entwicklung der Theorie bei.
- Hypermoderne Ära: In der hypermodernen Ära wurde das Damengambit vorübergehend weniger populär, da Spieler wie Nimzowitsch und Reti alternative Eröffnungen bevorzugten.
- Moderne Schachpraxis: Das Damengambit hat in der modernen Schachpraxis ein Comeback erlebt und wird heute von Spielern aller Spielstärken geschätzt. Die Eröffnung hat sich weiterentwickelt, mit neuen Ideen und Varianten, die ständig entdeckt werden.
Bedeutende Partien
Das Damengambit hat im Laufe der Schachgeschichte viele denkwürdige Partien hervorgebracht. Einige der bedeutendsten sind:
- Anderssen – Kieseritzky, London 1851: Diese Partie ist berühmt für ihre spektakulären Opfer und ihren brillanten Angriff, der als „Die Unsterbliche Partie“ in die Schachgeschichte einging.
- Alekhine – Bogoljubow, Hastings 1922: Alekhine demonstrierte seine meisterhafte Technik im Damengambit und gewann diese Partie mit einem beeindruckenden positionellen Angriff.
- Fischer – Spassky, Weltmeisterschaft 1972, 6. Partie: Diese Partie zeigte die strategische Tiefe des Damengambits, als Fischer Spassky in einem komplexen Endspiel besiegte.
- Kasparov – Karpov, Linares 1993: Kasparov lieferte eine dynamische Vorstellung im Angenommenen Damengambit und gewann diese Partie mit einem kraftvollen Angriff auf den schwarzen König.
- Carlsen – Anand, Weltmeisterschaft 2013, 2. Partie: Carlsen nutzte das Abgelehnte Damengambit, um einen strategischen Vorteil zu erlangen und schließlich die Partie zu gewinnen.
Angenommenes Damengambit
[Bild/Diagramm der Grundstellung des Angenommenen Damengambits]
- Zugfolge: 1. d4 d5 2. c4 dxc4
- Typische Pläne für Weiß:
- Entwicklung der Figuren: Schnelle Entwicklung der Springer und Läufer, um Druck auf das schwarze Zentrum auszuüben.
- Rückgewinn des Bauern: Weiß versucht oft, den Bauern auf c4 zurückzugewinnen, um die Materialgleichheit wiederherzustellen.
- Angriff auf den schwarzen König: Nutzung der offenen Linien und Diagonalen, um den schwarzen König anzugreifen.
- Positioneller Vorteil: Wenn ein direkter Angriff nicht möglich ist, kann Weiß versuchen, einen positionellen Vorteil aufzubauen, indem er die Schwächen in der schwarzen Stellung ausnutzt.
- Typische Pläne für Schwarz:
- Verteidigung des Mehrbauern: Schwarz versucht, den Mehrbauern zu halten und ihn in einen Vorteil umzuwandeln.
- Entwicklung von Gegenspiel: Schwarz entwickelt seine Figuren aktiv und sucht nach Möglichkeiten, Gegenspiel am Damenflügel oder im Zentrum zu erzeugen.
- Taktische Möglichkeiten: Die offene Stellung bietet oft Chancen für taktische Schläge und Kombinationen.
- Beispielpartie: Kasparov – Karpov, Linares 1993
Das angenommene Damengambit zählt zu den Geschlossenen Spielen und wird unter den ECO-Codes D20 bis D29 klassifiziert.
Das Damengambit ist kein typisches Bauernopfer in der Eröffnung (Gambit), da im Unterschied etwa zum Königsgambit der Schwarze den Bauern in den meisten Varianten nicht verteidigen kann, ohne in Nachteil zu geraten.
Wilhelm Steinitz wandte die Eröffnung erfolgreich an, indem er Weiß einen isolierten Damenbauern verpasste. Siegbert Tarrasch versah 2. … d5xc4 mit einem Fragezeichen, weil Schwarz damit ‚das Zentrum aufgibt‘. Sein Einfluss war so groß, dass das angenommene Damengambit seltener angewandt wurde.
Das angenommene Damengambit kann ein sicherer Weg sein, gegen 2.c4 zu spielen, wenn Schwarz weiß, was zu tun ist. Nachdem er den Bauern mit 2…cxd4 geschlagen hat, sollte Schwarz nicht versuchen, ihn zu halten, sondern sich stattdessen auf die Entwicklung seiner Figuren konzentrieren, während Weiß den Bauern zurückerobert.
Schwarz‘ leichtfeldriger Läufer, der im Abgelehnten Damengambit normalerweise ein Problem darstellt, findet in dieser Variante normalerweise einen guten Platz auf b7 oder g4. Schwarz wird auch versuchen, Weiß zu zwingen, einen isolierten d-Bauern zu akzeptieren, der zum Ziel werden könnte.
Obwohl das Angenommene Damengambit den Ruf hat, manchmal zu fadenscheinigen Stellungen zu führen, ist es eine der Varianten mit den besten Ergebnissen für Schwarz. Von den mehr als 23.000 Partien in unserer Datenbank gewinnt Schwarz 25%, zieht 38% und verliert 38%.
Angenommenes Damengambit: Partien
Ressourcen
- Bücher:
- „Modern Chess Openings“ von Nick de Firmian
- „Understanding the Queen’s Gambit“ von John Nunn
- „Play the Queen’s Gambit“ von Nigel Davies
- Artikel:
- „The Queen’s Gambit: A Strategic Overview“ von IM Jeremy Silman
- „The Queen’s Gambit Declined: A Dynamic Defense“ von GM Alex Lenderman
- Online-Datenbanken:
- ChessBase
- Chess.com
- Lichess
Das Damengambit ist eine faszinierende und vielseitige Schacheröffnung, die Spielern aller Spielstärken eine Fülle von strategischen Möglichkeiten bietet. Mit seiner reichen Geschichte, seinen zahlreichen Varianten und seiner anhaltenden Popularität bleibt das Damengambit eine der wichtigsten und spannendsten Eröffnungen im Schach.
Seine früheste Aufzeichnung stammt aus dem Göttinger Manuskript, das um 1490 geschrieben wurde. Später analysierten die Meister Alessandro Salvio und Gioachino Greco die Eröffnung in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Es dauerte jedoch bis in die 1890er Jahre, bis die Meister begannen, 1.d4 in ihr Schach-Repertoire aufzunehmen.
Ende des 19. Jahrhunderts rückte die positionelle Schacheröffnung stärker in den Vordergrund, was dem Damengambit mehr Aufmerksamkeit einbrachte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Schacheröffnung unter den Spitzenspielern sehr bekannt. Die Schacheröffnung wurde sogar so populär, dass die Schachlegenden Alexander Aljechin und José Raul Capablanca sie in 32 der 34 Partien ihres Weltmeisterschaftskampfes von 1927 spielten.
Das Damengambit ist bei den Spitzenspielern nach wie vor äußerst beliebt. Von den zehn besten Spielern der Welt (Stand: April 2021) haben acht von ihnen das Damengambit als eine ihrer meistgespielten Eröffnungen als Weiß-GMs Magnus Carlsen, Ding Liren, Levon Aronian, Anish Giri, Alexander Grischuk, Wesley So, Shakhriyar Mamedyarov und Teimour Radjabov.